The Machine to Be Another ermöglicht es zwei Personen, durch das Tragen von VR-Headsets jeweils ihre Körper zu tauschen. Bei dieser Interaktion, die eine Vielzahl von Sinnen einbezieht, entsteht ein nonverbaler Dialog: Wenn ein Teilnehmer seinen Arm hebt, hat der andere das Gefühl, dass er seinen eigenen bewegt hat.
Das Gefühl, an das körperliche Selbst gefesselt zu sein, ist ein zentrales Merkmal der menschlichen Erfahrung, auch wenn wir uns dessen vielleicht nicht immer bewusst sind. Dennoch war das Verhältnis zwischen «Geist» und «Körper» für die Menschheit schon immer eine verwirrende Frage. Veränderungen in der Wahrnehmung des eigenen Körpers, wie ausserkörperliche Erfahrungen, Verdoppelungen des Selbst oder Phantomkörper, haben die Kunst, die Philosophie, die Wissenschaft und die Allgemeinheit gleichermassen fasziniert – und es scheint, als könnten sie die zugrunde liegenden Mechanismen des Selbst enthüllen.
Laborexperimente haben es ermöglicht, diese Phänomene aus wissenschaftlicher Sicht zu untersuchen und die bemerkenswerte Formbarkeit unseres Körperempfindens weiter aufzuzeigen. Durch spezielle multisensorische Sitmulationsexperimente ist es möglich, dass Menschen fremde Gliedmassen als ihre eigenen empfinden oder es sich für sie anfühlt, als befänden sie sich ausserhalb ihrer eigenen Körpergrenzen.. Digitale Technologien erweitern die Möglichkeiten des eigenen Körpererlebens in hohem Masse. Von der Verkörperung eines Avatars in Videospielen bis hin zu der Art und Weise, wie wir uns selbst in den sozialen Medien darstellen oder unsere Gesichter durch Fotofilter manipulieren, stellen sich neue Fragen zum Selbst und seiner Formbarkeit.
Die Forschung legt nahe, dass die Verkörperung virtueller Avatare nicht nur unsere Wahrnehmung des eigenen Körpers und der Körper anderer Personen verändert, sondern auch Auswirkungen auf unser Denken und unser Verhalten im Allgemeinen hat. Der Proteus-Effekt beispielsweise besagt, dass wir beim Verkörpern eines virtuellen Avatars Verhaltensweisen übernehmen, die mit diesem Avatar assoziiert werden. Laut einer Studie schneiden Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Albert Einstein in der virtuellen Realität verkörperten, bei kognitiven Aufgaben besser ab. Es wurde auch gezeigt, dass die Verkörperung anderer Personen unsere positive Einstellung ihnen gegenüber oder gegenüber der Gruppe, der sie angehören, verstärken (oder unsere negative Einstellung verringern) könnte.
Aber wie sieht es mit der Möglichkeit aus, echte Menschen zu verkörpern?
BeAnotherLab hat diese Frage in einem künstlerischen Rahmen erforscht und sich mit dem Körperttausch zwischen realen Menschen anstelle von virtuellen Avataren auseinandergesetzt. Indem es verschiedene Disziplinen miteinander kombinierte, entwickelte das Kollektiv The Machine to Be Another, ein Werkzeug für den Dialog und Austausch, das in verschiedenen Kontexten ausgiebig genutzt wurde.
In Zusammenarbeit mit Bigna Lenggenhager von der Universität Zürich zeigt es hier den Body Swap: eine Installation, die es zwei Personen ermöglicht, Körper und Perspektiven zu tauschen. Während wir den Besucherinnen und Besuchern die Gelegenheit bieten, dieses einzigartige, verwirrende Zusammentreffen des Selbst mit jemand anderem zu erleben, werden Daten erhoben, die hoffentlich das wissenschaftliche Verständnis der Wahrnehmung des Selbst und des Anderen und der damit zusammenhängenden Kognition erweitern können.
Bigna Lenggenhager, Tej Tadi, Thomas Metzinger, Olaf Blanke, «Video Ergo Sum: Manipulating Bodily Self-Consciousness», in: Science, Bd. 317, Nr. 5841 (24.8.2007), S. 1096–1099.
Chris Dijkerman, Bigna Lenggenhager, «The Body and Cognition: The Relation Between Body Representations and Higher-level Cognitive and Social Processes», in: Cortex, Nr. 104 (Juli 2018), S. 133–139.
Philippe Bertrand, Jérôme Guegan, Léonore Robieux, Cade Andrew McCall, Franck Zenasni, «Learning Empathy Through Virtual Reality: Multiple Strategies for Training Empathy-Related Abilities Using Body Ownership Illusions in Embodied Virtual Reality», in: Frontiers in Robotics and AI, Nr. 5 (22.3.2018).
Marte Roel Lesur, Helena Aicher, Sylvain Delplanque, Bigna Lenggenhager, «Being Short, Sweet, and Sour: Congruent Visuo-Olfactory Stimulation Enhances Illusory Embodiment», in: Perception, Bd. 49, Nr. 6 (18.6.2020), S. 693–696.
Marte Roel Lesur, Sonia Lyn, Bigna Lenggenhager, «How Does Embodying a Transgender Narrative Influence Social Bias? An Explorative Study in an Artistic Context», in: Frontiers in Psychology, Bd. 11 (4.8.2020).
Lara Maister, Mel Slater, Maria V. Sanchez-Vives, Manos Tsakiris, «Changing Bodies Changes Minds: Owning Another Body Affects Social Cognition», in: Trends in Cognitive Sciences, Bd. 19, Nr. 1 (15.12.2014), S. 6–12.
BeAnotherLab, interdisziplinäres Kollektiv
Prof. Dr. Bigna Lenggenhager, Psychologisches Institut, UZH
Dr. Philippe Bertrand, interdisziplinärer Künstler & Wissenschaftler; BeAnotherLab
Prof. Dr. Guillaume Dumas, Medizinische
Fakultät, Université de Montréal
Dr. Marte Roel Lesur, Psychologisches Institut, UZH; BeAnotherLab